Donnerstag, Oktober 01, 2009

Service in sozialen Medien und der Paradigmen-Wechsel in der Unternehmenspolitik

In Vorbereitung auf die Podiumsdiskussion auf dem Kongress der Voice Days nächste Woche in Nürnberg zum Thema "Service für die Facebook Generation" an der ich als Referent teilnehmen werde, möchte ich einige Gedanken und Erfahrungen der letzten Tage veröffentlichen.

Jüngster Erfahrungsbericht:
Mit einem größeren mittelständischen Unternehmen habe ich diese Woche eine Diskussion über Kundenrezensionen im Internet geführt. Die Problematik bestand daran, dass die 1-2% unzufriedener Kunden tendenziell sehr bereitwillig sind über Ihren Frust im Internet auf Portalen wie Ciao.de, Dooyoo.de, testberichte.de, etc. zu berichten. Die 98-99% zufriedener Kunden jedoch, nehmen den guten Service und das gute Produkt als selbstverständlich hin und sind nicht motiviert einen positiven Erfahrungsbericht in einem Forum oder auf einer Bewertungsseite im Web zu veröffentlichen. Ergo finden sich in den Suchergebnissen bei google auf der ersten Seite zahlreiche Einträge mit schlechten Bewertungen Einzelner, die das Unternehmen seit Jahren versucht in der SEO-Relevanz herabzustufen. Erschwerend kam in diesem Fall hinzu, dass alte Studien und Testberichte u.a. der Stiftung Warentest von 2003 und älter noch gut gerankt sind bei google, obwohl es längst neue, ebenfalls sehr renommierte Tests von offizieller Stelle gibt, die die 98-99% zufriedener Kunden und ein exzellentes Produkt bestätigen. Also was tun?

Hier meine Ratschläge, die ich 1:1 aus der Email-Korrespondenz mit dem Marketingleiter des Unternemens kopiere:

Ursprungsemail 1 des Marketingleiters zu einer mittlerweile gut gerankten Frage über das Unternehmen im Archiv von hiogi bei der aktuelle Negativ-Rezensionen und alte Studien zitiert wurden:
"...sollen wir dann noch was Erklärendes mit einem offiziellen Firmen-Account auf hiogi.de schreiben. Oder eher den Ball flach halten?..."

Meine Antwort-Email 2:
"Grundsätzlich würde ich Deinem Team immer empfehlen in Foren aktiv und offiziell mit einem Firmen-Account zu agieren und sich der Kritik offen und ehrlich zu stellen. In diesem Falle auf hiogi.de ist es nun ok, da alle Gegenargumente und neueste Studien zusätzlich in den Ergänzungen gepostet wurden. Wichtig ist, dass man als Firma dann nicht werblich oder verteidigend auftritt, sondern Fakten bringt. Was Ciao.de und Doyoo.de angeht, hilft nur eines: Ihr müsst gute Kunden motivieren und ggf. incentivieren auch positive Bewertungen für Euch zu hinterlegen: „Sie waren zufrieden mit uns? Schreiben Sie einen kurzen Erfahrungsbericht bei einem dieser Portale (ciao.de, doyoo.de, testberichte.de, preisvergleich.de) und gewinnen Sie eine Reise nach Italien! Einfach bis 31.12.09 den Link zu Ihrem Erfahrungsbericht an info@unserefirma.de senden…“

Antwort-Email 3 des Marketingleiters:
"Hast du keine Angst, dass das nach hinten losgehen kann?"

Meine Antwort-Email 4:
"Nur, wer ein schlechtes Produkt anbietet, hat Angst davor, dass so etwas nach hinten los geht. Man kann gegen die Internet-Crowd und User-generated Content nicht gegenangehen. Es hilft nur Service-Qualität erhöhen, zuhören, mitmachen und das Produkt verbessern. Lies mal diese Studien hier, dann verstehst Du besser warum mehr und mehr Firmen oder Obama sich bei Facebook und Twitter engagieren sich von uns eine Service-Community installieren lassen: http://blog.service-community.net/search/label/Studie
Du sollest am besten wissen, ob ihr genügend zufriedene und loyale Kunden habt, die auf solche eine Motivation anspringen und auch gerne über Euch positiv berichten. Ob man dies mit einem Gewinnspiel antriggern muss sei dahingstellt. Oftmals reicht auch einfach die schlichte Bitte. Die 2-3% Meckerheinis werden eh ihren Frust irgendwo posten und es gilt halt die Guten zu motivieren. Good luck."

Antwort des Marketingleiters 5:
"Merci, genügend zufriedene Kunden werden wir wohl haben, sonst liefe der Laden so wohl nicht mehr – ist halt ein low involvement Produkt, genauso wie Strom der aus der Steckdose kommt, man geht davon aus das alles passt und beschwert sich wenn die Lampe dunkel bleibt."

Diese Korrespondenz zeigt vortrefflich den Paradigmenwechsel, dem sich die Unternehmenspolitik und -strategie stellen müssen: Das Internet ist da. Es ist laut. Es ist offen. Jeder macht mit. Und das Internet vergißt nie. Dies stellt den Kundenservice und die Presseabteilungen vor riesengroße Herausforderungen. Wenn Unternehmen glauben, sie könnten in Zukunft durch Abmahnungen, Unterlassungsklagen, Lösch-Gesuche oder aggressive Keyword-Optimierung dafür sorgen, dass Negativäußerungen im World Wide Web verschwinden und nicht geschäftsschädigend wirken, dann irren diese, genauso wie Herr Honecker irrte oder doe chinesische Staatsregierung irrt. Der einzig richtige Weg ist sich öffnen und mitmachen.... Nicht nur auf Facebook, Twitter oder MySpace, sondern auf der eigenen Firmenwebsite, mit einem eigenen Twitter-Inboundkanal, mit einem Kundenservice, der feinfülig auf Facebook agiert, mit einem Produktmanagement, dass sich der Kritik stellt, Ideen sammelt und die Produkte verbessert. In der Kommunikation hilft zudem nur Authentizität, Offenheit und Ehrlichkeit. Wenn die Marketingagenturen es dann noch schaffen die Online-Dialoge durch witzige Kampagnen mit Mehrwert oder Entertainment-Faktor ins Positive zu drehen und im Web die Massen zu objektiven Meinungsäußerungen und einem Wir-Gefühl rund um das jeweilige Produkt zu bewegen, dann ist das Unternehmen wirklich angekommen im Web 2.0 und wird dies auch positiv im Umsatz merken! Leider verstehen dies derzeit die wenigsten Manager in den Chef-Etagen, da sie eben beispielsweise den Wahlausgang letzten Sonntag noch nicht live über die iPhone-App von Facebook diskutierten, dort allen Freunden stolz zeigten, dass sie gewählt haben oder sich die neuesten Hochrechnungen per Handy bei m.spiegel.de abriefen...

Zusammengefasst hier meine drei Kernaussagen:

1. Facebook wird der Personalausweis einer neuen Generation von Endkunden, die zunehmend erwarten, dass Unternehmen, Vereine oder Parteien diese digital vernetzte Welt betreten. Die Aktivitäten in sozialen Medien unterliegen jedoch neuen Verhaltensmustern und Kommunikationsregeln, die vor allem Werbetreibende berücksichtigen müssen: Originalität, Ehrlichkeit und Kundennutzen stehen im Vordergrund, da das Web nichts und niemals vergisst.

2. Unternehmen aller Branchen werden mittelfristig gezwungen sich offen mit den Dialogen der Facebook Generation auseinanderzusetzen. Nüchterne betriebswirtschaftliche Analysen werden beweisen, dass sich mit der SEO-Power von "user-generated content" die Umsätze steigern lassen und dass das Web als Kollektiv mehr Ideen und Produktverbesserungen hervorbringt als jede F&E-Abteilung.

3. Die Facebook Generation ist bereits schon heute 24-7/always-on, was multimediale und in Echtzeit ablaufende Formen der Kommunikation entstehen lässt. So zeigen Facebook, Twitter oder auch google wave beispielsweise, wie wir jederzeit und überall Informationen, Fotos oder Videos miteinander teilen, unabhängig von der gerade besuchten Website, dem genutzten Endgerät oder dem gewählten Kommunikationskanal.

2 Kommentare:

hiogi hat gesagt…

http://www.ne-na.de/wenn-abmahnungen-die-generation-facebook-in-wallung-bringen-die-entlarvung-des-hohlen-klangs-der-unternehmenskommunikation/00138

Service-Community hat gesagt…

Sehr interessante Quelle zu Social CRM: http://tomhumbarger.wordpress.com/2009/10/02/whats-different-about-social-crm/

zudem hier noch eine Buchempfehlung;
"Satisfied Customers Tell Three Friends, Angry Customers Tell 3,000: Running a Business in Today's Consumer-Driven World"!